Der polnische Psychiater Kazimierz Dabrowski hat ein hochinteressantes Persönlichkeitsmodell entwickelt. Im Zusammenhang mit HKP (hohes kognitives Potenzial) und unserem aktuellen Newsletter gehen wir daraus aber vor allem auf die von Dabrowski definierten sogenannten ‚Overexcitabilities‘ sowie die ‚positive Desintegration‘ näher ein.
Das ‚‚journal für begabtenförderung‘, Nr. 2/2010, ist ganz der ‚Sensitivität nach Dabrowski‘ gewidmet. Franz Mönks und Marion Rogalls schreiben darin, dass ‚overexcitability‘ eine falsche Übersetzung des polnischen Begriffs sei.
Es sei kein „Übermass an Gefühlsäusserungen, sondern ein hohes Empfindungsvermögen, eine auffallende Sensitivität“.
Dies ist ein äusserst wichtiger Unterschied. In unserer Gesellschaft werden Verhaltensweisen nämlich sehr rasch pathologisiert. Was Jugendliche mit HKP in der Pubertät betrifft, ist dies besonders schädlich.
Wie sollen sie ein Selbstvertrauen zu sich und ihren Fähigkeiten aufbauen können, wenn ihre Intensität als ‚auffällig‘ bezeichnet wird? Ihre oft heftigen inneren Konflikte und Ängste als psychoneurotisch interpretiert werden? Wie sollen sie ihre Identität finden, wenn ihr intensives Hinterfragen, stundenlanges Diskutieren und ihr oft sehr kritischer Blick hinter die Fassaden als ‚gestört‘ kritisiert wird? Klar ist es manchmal anstrengend für Eltern und Lehrpersonen. Aber die Gespräche mit diesen Jugendlichen sind immer wieder auch sehr interessant und schön.
Und eben, wenn wir die Theorie der positiven Desintegration betrachten, sind gerade diese anstrengenden Verhaltensweisen und diese intensiven Gefühle der Weg, der diese Jugendlichen zur Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit führt.
Michael M. Piechowski, der mit Dabrowski zusammengearbeitet hatte, schreibt: „Bei den Begabten finden wir eine Intensität, die eine völlig andere Qualität der Erfahrung erzeugt. Nicht nur überdurchschnittlich oder ‚normal‘ sondern deutlich lebendiger und wachsamer. Die Reaktionen auf Erfahrungen sind schnell und stark. Eine erhöhet Intensität der Erfahrung geht mit einer erhöhten Sensitivität gegenüber der Umwelt und gegenüber den emotionalen Energiefeldern anderer Personen einher.“
(Michael M. Piechowski, ‚Ein Vogel, der zur Sonne emporsteigen kann: Erhöhte Sensitivität der Begabten‘, zitiert in ‚journal für begabtenförderung‘, 2/2010)