Newsletter #20

Pubertät und HKP: zwei Mütter erzählen

Die Mutter eines hochbegabten 12jährigen Jungen schreibt:

Seit der Pubertät ist die Unausgeglichenheit meines Sohnes noch mehr spürbar. Er stellt sich und seine Umwelt konstant in Frage, möchte sich emotional lösen von uns Eltern und braucht gleichzeitig so viel Nähe, wie lange nicht mehr. Zudem ist er mit sich selbst und seinem Leben unzufrieden und fragt sich, was das ganze Erdendasein überhaupt soll.

Diese innere Zerrissenheit und Überforderung zeigen sich in regelmässigen Wutausbrüchen, die ihm und uns Energie rauben, die wir dringend nötig hätten.

In schlimmen Situationen gehe ich mit ihm in den Wald und marschiere einfach darauf los. Hinter mir schreit und schimpft mein Sohn sich selbst, mich und die Welt zu Boden, bis er sich dann beruhigt und ein normales Gespräch stattfinden kann.

Bis jetzt konnten wir in diesen Gesprächen noch immer Lösungen für die Probleme, die ihn beschäftigen erarbeiten. Aber mich plagt natürlich die Frage, was passiert, wenn ich ihn nicht mehr von unseren Märschen überzeugen kann, wenn er sich nicht mehr beruhigen lässt, oder wenn er sich uns völlig entzieht. Das ist meine grösste Sorge.

(Name der Redaktion bekannt)

 

Bericht der Mutter einer 13jährigen Tochter:

Unsere Tochter hat sich von klein auf stark zurückgezogen. Zum Glück hat die Schule die Langeweile und Unterforderung erkannt und reagiert. So wurde unsere Tochter ab Mittelstufe ausreichend gefördert. Daneben war es uns Eltern immer sehr wichtig, unser Kind darin zu bestärken, dass es ‚richtig’ ist und ein Recht auf seine Bedürfnisse hat.

Die Pubertät hat dann alles völlig auf den Kopf gestellt: Plötzlich hat unsere Tochter nicht mehr nur sich sondern die Gesellschaft in Frage gestellt. Konsumkritisch näht sie sich einen Grossteil der Kleider selbst und verzichtet auf Fleisch.
Mit dem Wechsel von der Talentschule aufs Gymnasium wurde die schulische Unterforderung erneut zum Thema: Das Gymnasium kennt – im Gegensatz zur Primarstufe – keine spezielle Hochbegabtenförderung. Sie hat sehr stark hat reagiert und die Frage, was denn das ‚Alles‘ überhaupt soll, stand sehr schnell und sehr brennend im Raum; begleitet von starken Anzeichen einer depressiven Verstimmung.

Schlussendlich haben wir dann ‘gemeinsam’ den Mut gefunden, das Recht auf kognitive Nahrung einzufordern. Sie wird nun im Gymi ein Jahr überspringen und wir Eltern sind stolz, wie sehr sie sich schlussendlich selbst dafür eingesetzt hat.
Uns ist aber bewusst, dass die ‘Durststrecke’ Pubertät noch eine Weile anhalten wird. Wir hoffen, dass mit dem Erwachsenwerden die Erwartungen nach altersgerechtem Denken und Verhalten endlich abnehmen und es spätestens dann mehr Platz für Individualität geben wird.

(Name der Redaktion bekannt)