Dass bei einer Beurteilung der Fördernotwendigkeit eines Kindes meist all das, was gemessen werden kann, im Vordergrund steht, und nicht diese ausserordentliche Fähigkeit im kreativen Denken,
Hinterfragen und Weiterdenken, hat Folgen: Viele Schülerinnen und Schüler werden falsch beurteilt.
In IQ-Tests, in denen es bei einigen Untertests auch um Zeit geht, schneiden diese Kinder und Jugendlichen nicht selten schlecht ab. Der Gesamt-IQ beträgt dann nicht 130. Es wird klar: Bei der
Frage nach Förderung darf nicht allein auf ein Testergebnis geschaut werden. Das IQ-Testresultat ist nur einer von mehreren Hinweisen.
Sowohl im regulären Unterricht wie auch in IQ-Tests kann das kreative und vernetzte Denken dieser Schülerinnen und Schüler nicht gefunden werden. In der Praxis erlebt man immer wieder einmal
interessante und kreative Lösungswege bei Testaufgaben – die aber als falsch bewertet werden müssen, weil sie nicht der Antwort entsprechen, die als einzig richtige angegeben wird.
Zudem besitzen Hochbegabte, wie Stapf schreibt «nicht nur bessere Problemlösefähigkeiten, sondern v.a. auch bessere Problemfindungsfähigkeiten, d.h. sie stellen relevante (weiterführende)
Fragen.»
Eine grosse Leistung. Die aber weder in IQ-Tests noch im Schulalltag gefragt ist.
Was diese Kinder und Jugendlichen im regulären Unterricht leisten sollten - zum Beispiel die immer gleichen Übungen und Wiederholungen, die sie nicht benötigen – verweigern sie nicht selten oder
erledigen sie schludrig. Mit dem Resultat entsprechend schlechter oder knapp genügender Schulnoten.
Wir sollten uns überlegen, wie wir das Erkennen dieser Schülerinnen und Schüler verbessern und damit langandauernde schulische Unterforderung möglichst verhindern können. Dazu gehören im
Zusammenhang mit Abklärungen unter anderem eine gründliche Anamnese und wenn möglich ein Portfolio mit Arbeiten des Kindes, die es ausserhalb der Schule gemacht hat. Auch mit dem Kind zusammen an
einem schwierigen Rätsel arbeiten und seine Lösungswege kennen zu lernen würde wichtige Hinweise auf eine Fördernotwendigkeit geben.
Aber solange nur gilt, was gemessen werden kann, wird das Erkennen von vielen Kindern und Jugendlichen mit HKP ungenügend bleiben – und zwar im regulären Unterricht und immer auch wieder in
Abklärungen.