IQ-Tests sollten weder unter- noch überschätzt werden. Leider sind sie für Volksschulen meist alleinig ausschlaggebend, damit die Hochbegabung von Kindern und Jugendlichen anerkannt und gefördert
wird. Dies, obwohl die Fachliteratur fast ausschliesslich davon abrät.
Auch bei sehr guten Tests, wie z.B. dem WISC V (früher HAWIK genannt) gibt es Zufälligkeiten. Beim WISC V, dem am häufigsten angewandten IQ-Test, kommt hinzu, dass die Wichtigkeit des Beachtens
des AFI- Wertes, den die Testautoren für gewisse Hochbegabte empfehlen, noch nicht überall angekommen ist.
Es gibt nämlich nicht wenige hochintelligente Kinder, die einen Gesamt-IQ beispielsweise von 122 haben und deshalb keine Förderung bekommen- Sie sind aber in ihren denkerischen Möglichkeiten
genauso gut wie jemand mit 130 und zeigen dies z.B. mit ausserordentlich hohen Spitzen in einzelnen Untertests. Sie haben aber Probleme mit bestimmten Untertests z.B. betreffend
Kurzzeitgedächtnis und erzielen dort entsprechend schlechte Werte. Diese ziehen den Gesamt-IQ herunter. Der AFI-Wert berücksichtigt dies, indem die entsprechenden Untertest weggelassen werden. Er
kann in solchen Fällen 130 oder mehr betragen. Ohne Beachtung dieses AFI-Wertes (es gelten dabei bestimmte Bedingungen betr. Gesamt-IQ und Diskrepanz zwischen den betreffenden Bereichen des
Tests) würden, so die Testautoren, sonst zu viele Hochbegabte übersehen (Handbuch zum WISC IV).
Leider wird – entgegen den Empfehlungen der Testautoren - dieser AFI-Wert meist für eine Entscheidung nicht beachtet.
Dazu kommt: Auch ein IQ von 125 führt zu starker schulischer Unterforderung.
Natürlich hat auch dieser Wert etwas Willkürliches. Es ist deshalb immer wichtig, den Einzelfall zu prüfen. Dies auf jeden Fall ab einem IQ von 120. Hier gehört das Kind zu den 10
intelligentesten von hundert gleichaltrigen Kindern und die Gefahr der Unterforderung kann bereits bestehen.
Wichtig bei IQ-Tests: Wiederholungen können – wegen des Lerneffektes - frühestens nach ca. 1 ½ Jahren durchgeführt werden.
Für eine Diagnostik muss zusätzlich unbedingt eine ausführliche Anamnese durchgeführt werden (Vorgeschichte des Kindes, v.a. auch Situation vor dem Schuleintritt; Beobachtungen
der Eltern, Beobachtungen der Lehrpersonen etc.). Hier kann es Probleme geben, wenn die abklärende Person wenig Kenntnisse und Erfahrung mit diesen Kindern hat. Manchmal können auch
Vorurteile eine Diagnose beeinträchtigen. Zum Beispiel: «Die Eltern wollen unbedingt ein hochbegabtes Kind. Deshalb sehen sie ganz normale Verhaltensweisen als Zeichen von Hochbegabung an.» Das
kann vorkommen. Unsere Erfahrungen in der Praxis erlauben solche Rückschlüsse allerdings nicht. Dies wird auch in der Fachliteratur meist dahingehend erwähnt.
Auch das Beachten des Verhaltens des Kindes beim Test und während allenfalls weiterer Gespräche und seine Aussagen gehören zu einer Abklärung.
Eine Abklärung für Vorschulkinder ist in der Regel nicht notwendig. Die Probleme beginnen meist erst nach Schuleintritt.
Doch auch hier gilt: Es muss der Einzelfall betrachtet werden. Wir hatten auch schon Fünfjährige zur Abklärung, wenn es um einen früheren Schuleintritt ging.
Beispiel: Ein Kind wollte unbedingt schon in die Schule gehen, die Kindergärtnerin interpretierte sein Verhalten aber dahingehend, dass es sozial oder emotional zurückgeblieben sei. Dabei hatte
es nur aufgehört, mit den anderen Kindern zu spielen, weil sie sein Interesse an Planeten seltsam fanden und es deshalb lieber allein spielte. Wenn man es in anderen Situationen beobachtete, sah
man seine deutlich fortgeschrittene Art auch im Umgang mit anderen Kindern.